Hans-Georg Krabbe ABB Deutschland

Interview mit Hans-Georg Krabbe, Vorstandsvorsitzender ABB Deutschland – „Die Digitalisierung hebt die Automatisierungstechnik auf eine völlig neue Stufe“

Welche Fähigkeit braucht eine Organisation jetzt und morgen? Eine der meist gestellten Fragen, auch wenn es um die Digitalisierung der Industrie geht. Welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden müssenwelche Chancen ABB Ability für die Transformation bietet und wie ABB diesen Wandel bestreitet, erklärt Hans-Georg Krabbe, Vorstandsvorsitzender von ABB Deutschland, im Interview. 

publish-industry: Stichwort: Digital Strategy. Wo steht ABB und wo wollen Sie hin?

Hans-Georg Krabbe, ABB Deutschland:  Digitale Technologien sind seit jeher ein wichtiger Bestandteil unserer DNAWir statten bei ABB seit über 40 Jahren Geräte und Systeme mit Software und Schnittstellen aus, die für einen reibungslosen Betrieb sorgen. Wir verstehen uns als richtungweisender Technologieführer in der digitalen Industrie und ermöglichen so unseren Kunden, ein neues Maß an Flexibilität, Effizienz und Leistungsfähigkeit. Dabei vereint ABB Ability unser branchenübergreifendes digitales Know-how und erstreckt sich vom einzelnen Gerät über den Netzwerkrand bis hin zur Cloud. 

publish-industry: Welche Innovation treibt ABB derzeit am meisten um?

Hans-Georg Krabbe, ABB Deutschland: Das ist eindeutig die Künstliche Intelligenz (KI)Mit deren Hilfe kann die Autonomie von Systemen ein ganz neues Niveau erreichen. Erstmals in der Technikgeschichte stehen die notwendigen Rechenleistungen zur Verfügung und es existieren valide Daten als InputAktuell leisten unsere Forscher und Entwickler Pionierarbeit in den Themenfeldern autonome Systeme und industrielle KI.  

KI stellt dabei ein technisches Werkzeug dar, um eine gewisse Autonomiestufe zu erreichen. Dabei haben wir einen klaren Vorteil: Wir verstehen Maschinen und haben ein tiefes Verständnis von Fertigungsprozessen. So erkennen wir, wo der Einsatz von KI tatsächlich Sinn macht. 

publish-industry: Und in welchen Bereichen macht der Einsatz dieser Sinn? 

Hans-Georg Krabbe, ABB Deutschland: In der Industrie der Zukunft werden autonome Systeme die Betreiber dabei unterstützen, rechtzeitig bessere Entscheidungen zu treffen. Dadurch wird das Fachpersonal von alltäglichen, sich wiederholenden Aufgaben befreit und kann sich auf höherwertige Tätigkeiten konzentrieren. ABB ist mit fünf Projekten auf der KI-Landkarte der Plattform Lernende Systeme vertreten, dazu zählen unter anderen Marine Pilot Control, ein dynamisches Positionierungssystem für die Schifffahrt mit automatisierten Navigationsaufgaben und Connected Services, unserer Fernüberwachung von Robotern. 

publish-industry: Hebt die Digitalisierung die Automatisierungstechnik auf eine völlig neue Stufe?

Hans-Georg Krabbe, ABB Deutschland: Ja, wir werden eine neue Stufe erreichen. Die aktuellen Digitalisierungstrends stärken Industrie 4.0 förmlichCloud, Edge-Computing, 5G – diese Technologien erhalten Einzug in die Fabriken. Gemeinsam mit dem schwedischen Telekommunikationsanbieter Ericsson vertiefen wir deshalb zum Beispiel unsere Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft in der Automatisierung sowie der drahtlosen Vernetzung von Produktionsanlagen. Fertigungsprozesse können so sukzessive verbessert und die Produktivität gesteigert werden. 

An unserem Stand auf der diesjährigen Hannover Messe haben wir anhand einer Fabrik der Zukunft im Kleinformat gezeigt, wie kundenindividuelle Massenproduktion bereits heute Realität werden kann. Das Modell einer Produktionslinie fertigte vor den Augen der Besucher Armbanduhren in Echtzeit und in Losgröße 1.  

publish-industry: Was ist die größte Herausforderung bei der Digitalisierung Ihres eigenen Unternehmens? 

Hans-Georg Krabbe, ABB Deutschland: Es sind viele Herausforderungen, die gleichzeitig bewältigt werden müssen. Unternehmen müssen vor allem schneller und agiler werden. Mit der strategischen Neuausrichtung fokussiert sich der ABB-Konzern vollständig auf digitale Industrien. Unsere Aktivitäten haben wir in vier unternehmerisch geführte Geschäftsbereiche gegliedert: Elektrifizierung, Industrieautomation, Robotik und Fertigungsautomation sowie Antriebstechnik. So vereinfachen wir unsere Organisationermöglichen eine noch stärkere Kundenorientierung und erhöhen unsere Agilität.  

Wenn wir ins Unternehmen schauen, so ist eine Herausforderung aber sicherlich: Wie nehme ich die Mitarbeiter mit auf diese digitale Reise? Die Arbeit verändert sich. Nicht überall und nicht sofort, aber in vielen Bereichen. Wir müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass unsere Beschäftigten ihre Fähigkeiten kompetent weiterentwickeln können, sodass sie auch zukünftigen Anforderungen gerecht werden.  

publish-industry: Die Digitalisierung verändert aber auch das Ökosystem eines Unternehmens. Was muss hierbei beachtet werden?

Hans-Georg Krabbe, ABB Deutschland: Wir dürfen diesen Wandel nicht nur auf das eigene Unternehmen beziehen, sondern müssen in ganzen Netzwerken denken. Der gesamte Prozess – vom Lieferanten über die Logistik ins eigene Unternehmen und von uns zum Kunden – wird sich massiv ändern. Das heißt: Wir müssen neue Wege wagen. Dazu gehört etwa auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gemeinsam mit anderen Unternehmen. In Deutschland sind die Freiräume für die gemeinsame Entwicklung von Innovation im vorwettbewerblichen Rahmen zum Teil sehr eng.  

Eine weitere Gefahr ist, dass die europäische Diskussion um Datenschutz und Datensicherheit die Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Anwendungen hemmt. Auf der anderen Seite sind Verlässlichkeit und Sicherheit der neuen Systeme natürlich ganz hohe Güter. Der Gesetzgeber muss einen rechtlichen Rahmen schaffen, der einerseits die Daten schützt, andererseits auch genügend Freiräume beispielsweise für Reallabore zulässt. 

publish-industry: Wie schafft es ABB als großes Unternehmen, dynamisch und agil zu arbeiten?

Hans-Georg Krabbe, ABB Deutschland: Der Schlüssel zur Agilität liegt für ABB vor allem in Partnerschaften: So kooperieren wir zum Beispiel mit Start-Ups und haben Ende letzten Jahres ein Accelerator-Programm gestartet. Hier können sie, ihre KI-Lösungen im Industriebereich testen und vermarktenWir setzen außerdem auf strategische Kooperationen mit Digitalkonzernen wie Microsoft, Hewlett Packard Enterprise, IBM und neuerdings Dassault SystèmesSo wird technologische Digitalexpertise mit unserem Branchenwissen vereint. Gemeinsam mit Dassault Systèmes wollen wir zum Beispiel digitale Zwillings- und Fabrikmodellierungslösungen vorantreiben. IBM ist unser Partner für Anwendungenwelche die prädiktiven Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz nutzen.  

Wichtig ist aber: Nicht nur Produkte und Lösungen, auch die Zusammenarbeit mit Kunden verändert sich mit der DigitalisierungDeshalb begleiten wir mit dem neuen ABB Ability Customer Experience Center (ACE) unsere Kunden aktiv bei der digitalen Transformation und machen die Chancen der Digitalisierung nutzbar. In maßgeschneiderten Co-Creation-Workshops schaffen wir so gemeinsam mit den Kunden Neues. Mit Design Thinking-basierten Methoden und ABB-Spezialisten aus mehreren Unternehmensbereichen können Kunden ihre Vorstellungen gemeinsam mit ABB in digitale Lösungen umsetzen. Das sind alles in Allem faszinierende neue Möglichkeiten. 

Vielen Dank für dainteressante Gespräch Herr Krabbe. 

Hans-Georg Krabbe ist Speaker des INDUSTRY.forward Summit 2019. Das Interview führte Anna Gampenrieder, Redakteurin bei publish-industry.