Dieter Conzelmann

Interview mit Industrie 4.0-Preisträger Dieter Conzelmann: „Man muss die Mitarbeiter begeistern, die begeisterungsfähig sind anstelle derer, die nicht veränderungswillig sind.“

Ein Unternehmen zu einem Erfolg zu machen oder als etabliertes Unternehmen erfolgreich zu bleiben ist kein leichtes Unterfangen. Der Innovations-Experte Dieter Conzelmann, Geschäftsführer von Bizerba Busch weiß genau, worauf es bei der Erschließung neuer oder der Digitalisierung alter Geschäftsmodelle ankommt, um zukunftsgerichtet und erfolgreich agieren zu können.

publish-industry: Große Industrieunternehmen wie Ihres haben die Köpfe und Ressourcen, ihr noch sehr erfolgreiches Kerngeschäft zu hinterfragen und in neue Modelle zu investieren. Welche Ratschläge geben Sie dem kleinen Maschinenbauer mit wenig Mitteln?

Conzelmann: Ich denke, auch kleine Maschinenbauer haben die Mittel, sie müssen sie nur einsetzen. Auch wir sind noch ein Mittelständler, haben aber durch unsere Organisation im Unternehmen die Möglichkeiten, disruptive Modelle voranzutreiben. Das ist letztendlich auch unser Erfolgsrezept, und eigentlich kann es auch jedes kleine Unternehmen umsetzen. Die Verantwortlichen müssen hierzu nur über die klassischen Organisationsformen nachdenken und neue implementieren.

publish-industry: Ist es gerade für kleine Industrieunternehmen nicht zielführender, ihr Kerngeschäft zu optimieren, statt „krampfhaft“ nach neuen digitalen und disruptiven Geschäftsmodellen zu suchen?

Conzelmann: Er muss sein bisheriges Geschäft nicht komplett umkrempeln, sondern sich dafür entscheiden, sein bestehendes Geschäftsmodell für die digitale Welt weiterzuentwickeln. Dafür muss er aber die Menschen dazu bewegen, anders zu denken. Dabei darf es keine Grenzen geben, es muss erlaubt sein einfach alles aufs Papier zu bringen, um festzustellen, wie ein neues Geschäftsmodell aussehen könnte. Das heißt aber nicht, dass Bestehende nicht weiterzuführen, solang es erfolgreich ist..

publish-industry: Ein wesentlicher Faktor, der über Erfolg oder Scheitern einer Umsetzung von Industrie 4.0 entscheidet, ist, die eigenen Strukturen hinterfragen und in einer Umsetzungsstrategie gekonnt einbinden. Denn wer alle gelebten Arbeitsabläufe ändern will, scheitert durch zu viel Widerstand im Unternehmen. Welchen Ratschlag haben Sie hier gerade für traditionell organisierte Unternehmen?

Conzelmann: Eines ist definitiv: Man muss den Menschen gewinnen. Wir haben das umgesetzt, indem wir für dieses neue Geschäftsmodell eine fachliche Führung implementiert haben. Wir haben Mitarbeiter aus den verschiedenen Disziplinen in dieses agile Team aufgenommen. Die einzubindenden externen Partner sind hierbei aber besonders wichtig. Sie können beispielsweise Mittelständler oder kleine Unternehmen mit nur zwanzig bis fünfzig Mitarbeitern sein. Um aber in eben diesen Netzwerken denken zu können, brauchen wir die Offenheit der Mitarbeiter.

publish-industry: Das heißt, Unternehmen müssen weg von dem Gedanken, alles selbst machen zu können?

Conzelmann: Richtig. Wir gehen sogar soweit, Partnerschaften mit Wettbewerbern einzugehen, was in der Vergangenheit ja völlig unüblich war. Da gehört allerdings ein gewisses Maß an Vertrauen und Offenheit dazu. Das ist dann schon eine disruptive Denke, die man hier dann hat.

publish-industry: Ist ein entscheidender Faktor, wenn wir über disruptive Geschäftsmodelle sprechen, also nicht die Unternehmensgröße, sondern analytisch die richtigen Köpfe im Unternehmen zu identifizieren?

Conzelmann:  Das ist richtig. Man muss die Mitarbeiter begeistern, die begeisterungsfähig sind anstelle derer, die nicht veränderungswillig sind. Eben diese gilt es zu identifizieren. Wobei meine Erfahrung ist, dass hierbei auch Mitarbeiter gefunden werden, die für nicht veränderungswillig gehalten wurden. Später sind eben diese oftmals mehr an der Veränderung beteiligt, als diejenigen, welche gesagt hatten, sie wären veränderungsbereit.

publish-industry: Ist es schlau, für die Idee eines neuen Geschäftsmodells ein Startup, gelöst von den bisherigen Strukturen, zu gründen?

Conzelmann:  Aus meiner Sicht gibt es da Vor- und Nachteile. Für uns war das bisher kein Thema, wir haben es immer mit der bestehenden Organisation gemacht, damit es auch kein Abszess wird. Andere Unternehmen haben das separiert. Unserer Erfahrung nach ist es eine große Herausforderung, eine separate Organisation später zu integrierten. Aber ich würde jetzt auch nicht sagen was besser und schlechter ist. Die Frage ist, wie man es gestaltet!

Herzlichen Dank, Herr Conzelmann, für dieses spannende Gespräch.

Dieter Conzelmann war Speaker des INDUSTRY.forward Summits 2018. Unser Interview führte Christian Vilsbeck, Managing Editor des Fachmagazins A&D am 7. Juni 2018 während des INDUSTRY.forward Summits in Berlin.