Stefan Kaas (Pure Business Consulting): Datenbasierte Tools sind für den Vertrieb heute unverzichtbar

Leidenschaftliche Vertriebler bleiben auch in Zukunft der entscheidende Faktor für einen erfolgreichen Verkaufsabschluss. Doch wer dabei digitale Tools wie KI oder Data Analytics richtig nutzt, dem gelingt es, statt eines reinen Verkaufsgesprächs ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen, erklärt Stefan Kaas, Geschäftsführer bei Pure Business Consulting.

publish-industry: Unternehmen digitalisieren zunehmend ihre Prozesse; Industrie 4.0 und Losgröße 1 sind zu allgegenwärtigen Schlagworten geworden. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf den Vertrieb?

Stefan Kaas: Es ist schon verwunderlich, dass viele Unternehmen in den letzten Jahren drastische Fortschritte in der Digitalisierung ihrer Produktionsprozesse und im Marketingauftritt gemacht haben, aber der Außendienst noch immer nach Bauchgefühl die Kunden besucht, bei denen er sich den größten Deal verspricht. Zugegeben, der Außendienst erledigt seine Termindokumentation inzwischen nicht mehr auf Papier, sondern in modernen CRM-Systemen. Aber ist das schon Digitalisierung im Vertrieb? Auf keinen Fall!

Digitalisierung im Vertrieb bedeutet, dass es für das Team Vertriebssteuerung/Außendienst- und Innendienst klare Regeln und Handlungsanweisungen gibt, wann es welchen Kunden mit welchen Produktideen ansprechen sollte. Crawling- und Machine-Learning-Verfahren helfen, den nächstbesten Kunden automatisiert herauszufinden und übermitteln dem Außendienstler perfekt passende und aktuelle Informationen zu den Zielkunden. Über Real-Time-Systeme erfolgt ein Tracking des Kundenverhaltens in der digitalen Welt und ein kontinuierliches Update der Beziehung.

Die Kunden empfinden Gespräche mit Außendienstmitarbeitern dann nicht mehr als Verkaufsgespräch, sondern als Gespräch auf Augenhöhe. Sie fühlen sich von Anfang an verstanden und die Außendienstmitarbeiter können ihnen schnell die passenden Produkte und Lösungen für ihre aktuelle Situation anbieten. Und das Beste ist: All das basiert auf modernen Technologien, die heute absolut beherrschbar und bezahlbar sind.

publish-industry: Welche Rolle spielen Data Analytics und KI für den modernen Vertrieb?

Stefan Kaas: Diese Methoden werden heute bereits für die Vertriebssteuerung eingesetzt und helfen bei der Transformation vom erfahrungsbasierten zum datengetriebenen Vertrieb. Maschinen können viel besser und schneller Informationen zu Zielkunden generieren als es ein Vertriebsmitarbeiter je könnte. Algorithmen verschneiden diese Informationen zu den Zielkunden mit Vertriebsergebnissen aus der Vergangenheit und berechnen so die Abschlusswahrscheinlichkeit für jeden einzelnen Lead. Zudem geben sie den Vertriebsmitarbeitern einen Hinweis, wann der beste Zeitpunkt ist, einen Kunden zu adressieren, etwa wenn ein neuer Einkaufsleiter eingestellt wurde oder ein Unternehmen Wachstumsambitionen in der Presse kommuniziert.

Die Vertriebseffizienz steigt durch diese datenbasierten Tools massiv. Somit sind sie heute unverzichtbar. KI, wie beispielsweise Amazon sie im B2C-Bereich einsetzt, um herauszufinden, was Kunden mit ähnlichem Verhalten gekauft haben, wird auch in den B2B-Vertrieb einziehen – vorausgesetzt, man kann das Lernen innerhalb des eigenen Vertriebs entsprechend organisieren und automatisieren. Dieses Lernen läuft heute noch über Ad-hoc-Meetings, Telefonkonferenzen und zufällige Treffen ab – ein Verhalten, das nicht mehr zeitgemäß ist.

publish-industry: Welche Tools stehen für eine datengetriebene Vertriebssteuerung zur Verfügung?

Stefan Kaas: Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren auf moderne CRM-Systeme umgestellt. Das ist ein guter erster Schritt. Die Systeme helfen, Daten zu Zielkunden und die Vertriebsperformance digital zu erfassen. Das ist die Basis für Data Analytics. Mittlerweile werden diese Tools durch Applikationen ergänzt, die es zum einen dem Vertrieb noch einfacher machen, seine Aktivitäten und das Kundenfeedback zu dokumentieren. Zum anderen helfen sie der Vertriebssteuerung, den Außendienstmitarbeitern neue Leads und verkaufsrelevante Informationen zu den Zielkunden zu übermitteln. In der Vergangenheit war eine vertriebsaktive Zeit – also die Zeit bei potenziellen Kunden – von 20 bis 30 Prozent der gesamten verfügbaren Zeit üblich. Inzwischen hat sich das Verhältnis umgedreht: Heute sind 70 bis 80 Prozent vertriebsaktive Zeit möglich.

publish-industry: Wie passt der heutige Vertriebsmitarbeiter in diese neuen Strukturen?

Stefan Kaas: Der Vertriebsmitarbeiter wird sich stärker in zwei extreme Funktionen aufteilen. Für einen Teil der Vertriebsmitarbeiter wird vieles einfacher. Diese Mitarbeiter können deutlich mehr Abschlüsse generieren als zuvor, aber sie müssen die neuen Möglichkeiten auch akzeptieren und annehmen. Weg vom Bauchgefühl und hin zu der Nutzung der Intelligenz von Maschinen, das bedeutet zumeist eine Verhaltensänderung, auf die sich die Mitarbeiter einlassen müssen. Die gute Nachricht ist, dass die Tools einfach und intuitiv zu bedienen sind. Wir bezeichnen diese Vertriebsmitarbeiter als Transaktion-Vertriebler, die ihre Abschlüsse im gesamten Vertriebsprozess auf Basis von Data-Analytics-Verfahren generieren.

Dann gibt es die eher beratungsorientierten Vertriebler, die wir Co-Creater nennen. Sie verfügen über eine ganz andere Wissensbasis und nutzen beispielsweise Erkenntnisse aus den Maschinen der Kunden, die diese vielleicht selbst gar nicht kennen, und optimieren mit diesem Wissen Produkte und Prozesse. Hier ist ein wissensbasierter und individueller Ansatz von Nöten.

Aber für beide Vertriebstypen gibt es eine gute Nachricht: Der Verkaufsabschluss wird immer noch zwischen Menschen gemacht. Leidenschaftliche Vertriebler, die den Verstand und das Herz des Gegenübers für sich gewinnen können, sind auch in Zukunft unabdingbar.